Um das erst mal ganz klar zu sagen: sexualisierte Gewalt ist immer und überall und gegen jeden Menschen verachtenswert.
Soweit der einfache und nicht zu diskutierende Teil. Ab jetzt wird es allerdings schwierig. Ob die Anschuldigungen gegen die Band stimmen oder nicht, wissen wir nicht und wir halten es da mit dem unten verlinkten Kommentar von Sarah Bosetti.
Was wir an diesem Kommentar mögen, ist, dass sie das grundsätzliche Problem adressiert: ein immer schon unheiliges „Machtverhältnis“ zwischen Künstler und Fan, das mal ganz grundsätzlich bedacht werden sollte.
Wir bedienen uns dieses Verhältnisses ja ganz gerne, wenn es um die Beeinflussung der Fans in unserem Sinne geht: Geht alle mal einen Schritt zurück, trinkt genug Wasser, macht Platz für die Security … alles Themen, bei denen wir uns freuen, dass es die sich aus genau diesem Machtverhältnis speisende Beeinflussungsmöglichkeit gibt. Leider endet es da nicht und es wird wohl Zeit, das Thema nicht mehr zu verniedlichen („ist halt Rock`n´Roll…“) – ohne dabei aber die Selbstbestimmung von Menschen aus den Augen zu lassen. Hier eine Grenze zu ziehen wird unter anderem eine neue Aufgabe sein … sich nicht wegdrehen, kein „jaja, der Künstler halt“, kein „was in der Backstage passiert, bleibt in der Backstage“.
Das haben die Politiker, die sich hier einschalten, eigentlich schon ganz gut erkannt (wenn auch etwas spät): es muss etwas am System geändert werden, es muss Standard sein, sich sicher zu fühlen (die Tatsache, dass hier alles auf Frauen fokussiert zeigt allerdings, dass sie sich noch nicht zu sehr mit dem Thema beschäftigt haben). Richten sollen es unter anderem die „Awareness Teams“. „Awareness“ ist als Begrifflichkeit ja den umgekehrten „CrowdManagement“ Weg gegangen. Als die Begrifflichkeit aufkam, war auf einmal alles CrowdManagement – mit „Awareness“ ist es genau umgekehrt: Eigentlich steht der Begriff in der Sicherheitskultur für eine grundsätzliche Aufmerksamkeit (nicht einfach fremde USB Sticks in den Rechner schieben, umherstehende Koffer melden etc.), gekapert wurde er allerdings für ein einziges Thema – ein sehr wichtiges Thema, keine Frage – aber dennoch keins, dass ein Alleinstellungsmerkmal in Sachen notwendiger Aufmerksamkeit darstellt. Und wo ein Begriff ist, ist der dazugehörige Markt nicht weit: Diejenigen, die sich schon sehr früh und sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, werden in absehbarer Zeit überrollt werden von mehr oder weniger seriösen „Awareness machen wir übrigens auch“ Angeboten. Dabei kann das Problem nicht durch ein Team, durch einen safe space gelöst werden. Es ist toll, wenn das zumindest da ist – keine Frage – aber solange es nicht in der Kultur der Veranstaltung // der Veranstaltungswelt verankert ist, solange nicht der Mensch, der den Fluchtweg am Parkplatz bewacht, auch weiß, was zu tun ist, wenn ihm/ihr etwas auffällt oder generell erst einmal so aufmerksam ist, dass überhaupt etwas auffällt – solange sind die Teams, die spaces, die Codewörter nur Pflaster für eine Wunde, die sich von selbst nicht verschließen wird.
Um zu Rammstein zurückzukommen: das Verhalten und die veröffentlichten Statements der Band sind ein Albtraum – wieder einmal bestimmt Kommunikation den Umgang mit der Situation. Und wie immer ist es so, dass die Medien die Kommunikation und die Meinungsbildung übernehmen, wenn von den handelnden Beteiligten nichts oder nur Müll kommt. Am Ende wird es sehr viele Menschen geben, die hier auf verschiedenen Eben verlieren werden und es bleibt wie bei jedem Unglück zu hoffen, dass das Gute, die Lehren, die Veränderungen, die sich hieraus ergeben so Vieles besser machen, dass es den Schmerz derer, auf deren Rücken – nein, auf deren Seelen das passiert – in irgendeiner Form mildert.
//sabine//