Bildung, Beratung, Forschung für die Sicherheit von Menschen in Menschenmengen

Taschen­kar­ten – Werk­zeu­ge des Sicher­heits­ma­nage­ments

Ver­schie­dent­lich wur­de an die­ser Stel­le schon über die Not­wen­dig­kei­ten einer abge­stimm­ten Not­fall­pla­nung gespro­chen – nun gilt es, das “Hand­werks­zeug” etwas inten­si­ver vor­zu­stel­len: Wir star­ten mit den “Taschen­kar­ten” oder Reak­ti­ons­kar­ten”.

ein Text von Ralf Zim­me

Was aber bedeu­tet das im Ein­zel­nen? Das For­schungs­pro­jekt BaSi­Go beschreibt die Räu­mung im Ver­an­stal­tungs­kon­text als „…das unge­plan­te und kurz­fris­ti­ge Ver­las­sen eines Gebie­tes bei aku­ter Gefahr“ [1] Wolff (1998) beschreibt die Räu­mung als „… das schnel­le In-Sicher­heit-Brin­gen aus einem gefähr­de­ten Bereich [2] , eine Beschrei­bung, die im Rimea Pro­jekt [3] als „Ent­fluch­tung“ bezeich­net wird, aber das sel­be meint.

In zahl­rei­chen ande­ren Publi­ka­tio­nen wer­den Räu­mung und Eva­ku­ie­rung syn­onym ver­wen­det, im Sin­ne von „wegen dro­hen­der Gefahr von sei­nem (Wohn)platz weg­brin­gen…“, bzw. „aus­quar­tie­ren, fort­brin­gen, fort­schaf­fen, in Sicher­heit brin­gen…“ (Duden). Dazu noch die Bedeu­tung von Kon­zept als „ein for­mu­lier­tes Gedan­ken­ge­rüst zur Rea­li­sie­rung von etwas…“ [4]

Ein Räu­mungs­kon­zept ist also unge­ach­tet der unter­schied­lich genutz­ten Begriff­lich­kei­ten ein Plan oder Gedan­ken­ge­rüst zur Orga­ni­sa­ti­on des schnel­len Ver­las­sens eines gefähr­de­ten Bereichs, bzw. ein Plan, um Men­schen (und Tie­re) aus einem gefähr­de­ten Bereich schnell in Sicher­heit zu ver­brin­gen. Und das alles unter Berück­sich­ti­gung von Men­schen mit beson­de­ren Anfor­de­run­gen an die Wahr­neh­mung von Alar­mie­run­gen und Hand­lungs­an­wei­sun­gen sowie an ihre Beweg­lich­keit.

Hier­bei hat der Aspekt des „schnell“ zwei­er­lei Bedeu­tung. Zum einen sol­len auf Grund einer immi­nen­ten, also unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Gefahr, Men­schen unver­züg­lich von einer Gefah­ren­quel­le getrennt wer­den, zum ande­ren bedeu­tet eine ohne Ver­zö­ge­run­gen durch­ge­führ­te Räu­mung auch die Mög­lich­keit der schnel­ler ein­zu­lei­ten­den Gefah­ren­ab­wehr bzw. ‑bekämp­fung.

Im Rah­men des Brand­schut­zes wird häu­fig von Räu­mungs­kon­zep­ten gespro­chen und die Räu­mung ins­be­son­de­re als Not­fall­maß­nah­me, also als Reak­ti­on auf einen Brand, ein­ge­lei­tet. Der Ver­ord­nungs­ge­ber hat bei der Ein­füh­rung die­ses Punk­tes in die MVStätt­VO offen­bar ähn­lich gedacht und die­se Ansicht durch die Posi­tio­nie­rung des The­mas im § 42 „Brand­schutz­ord­nung, Räu­mungs­kon­zept und Feu­er­wehr­plä­ne“ belegt und ihn nicht etwa im § 43 „Sicher­heits­kon­zept, Ord­nungs­dienst“ ein­ge­ord­net, wo er sicher­lich auch eine Berech­ti­gung gehabt hät­te. Die­se Ein­ord­nung darf aber nicht dazu füh­ren, die Grün­de für die Räu­mung einer Ver­samm­lungs­stät­te auf Brän­de zu redu­zie­ren. Es exis­tie­ren unter­schied­li­che – deut­lich zeit­kri­ti­sche­re – Aus­lö­ser für Räu­mun­gen, so wie Räu­mun­gen auch in unter­schied­li­chen Rich­tun­gen und Aus­ma­ßen statt­fin­den kön­nen..

Lite­ra­tur zum The­ma fin­det sich neben dem gro­ßen The­men­kom­plex Brand­schutz eben­falls im genau­so umfas­sen­den Gebiet des Arbeits­schut­zes Hier­zu zählt die VDI Richt­li­nie 4062 – „Eva­ku­ie­rung von Per­so­nen im Gefah­ren­fall“. Wenn­gleich sie für sich in Anspruch nimmt, für „Arbeitgeber/ Unternehmer/Betreiber, die für den Schutz von Leib und Leben von Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen sowie für betriebs­frem­de Per­so­nen, z. B. Besu­cher, Teil­neh­mer, Kun­den sowie Fremd­fir­men, ver­ant­wort­lich sind“ aus­ge­rich­tet zu sein, haben die beinhal­te­ten Maß­nah­men doch einen deut­li­chen Fokus auf orga­ni­sier­te Ein­hei­ten, wie z.B. die Mit­ar­bei­ter­schaft.

Der offen­sicht­li­che Vor­teil bei der Eva­ku­ie­rung von Mit­ar­bei­tern ist die Mög­lich­keit der regel­mä­ßi­gen Ein­fluss­nah­me auf die han­deln­den und zu behan­deln­den Per­so­nen durch Schu­lung und Unter­wei­sung sowie deren Orts- und Ver­fah­rens­kun­de. Vor­aus­set­zun­gen, die im Umgang mit vie­len orts­un­kun­di­gen und nur tem­po­rär anwe­sen­den Per­so­nen wie Besu­chern von Ver­an­stal­tun­gen, Kun­den in Ein­kauf­zen­tren oder Hoch­haus­kom­ple­xen und Bahn­hö­fen nicht gege­ben sind und daher teil­wei­se ande­rer Her­an­ge­hens­wei­sen bedür­fen, die sich im Räu­mungs­kon­zept wie­der­fin­den müs­sen.

Wor­in sich die Lite­ra­tur einig ist, ist der Umstand, dass ein Räu­mungs­kon­zept immer einen Teil des Not­fall­ma­nage­ments dar­stellt und sich von daher inner­halb eines repro­du­zier­ba­ren Prin­zi­pi­en­rah­mens bewe­gen soll­te.

Die Basis jeden Not­fall­ma­nage­ments ist eine Gefähr­dungs­ana­ly­se und in wei­te­ren Schrit­ten eine Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung anhand einer Bestands­auf­nah­me der bau­li­chen, orga­ni­sa­to­ri­schen und per­so­nel­len Res­sour­cen. Die Fra­ge, die hier zu beant­wor­ten ist, lau­tet: Was kann zu wel­chem Zeit­punkt und an wel­cher Stel­le des Sys­tems gesche­hen. Im Hin­blick auf das Räu­mungs­kon­zept für Ver­an­stal­tun­gen bzw. Ver­samm­lungs­stät­ten kon­kre­ti­siert sich die Fra­ge auf: Wel­che Ereig­nis­se kön­nen in den ein­zel­nen Pha­sen der Ver­an­stal­tung zu einer Gesamträu­mung oder Teil­räu­mung der Ver­samm­lungs­stät­te oder asso­zi­ier­ter Flä­chen füh­ren.

Zu betrach­ten sind sowohl die veranstaltungs‑, und ver­samm­lung­s­tät­ten­spe­zi­fi­schen Gefähr­dun­gen als auch mög­li­che nega­ti­ve Ein­flüs­se durch die Nach­bar­schaft. Hier­zu gehö­ren Brand- und Explo­si­ons­ge­fah­ren, die Mög­lich­keit des Aus­tritts von Gefahr­stof­fen, gefähr­li­che Vor­komm­nis­se im Straßen‑, Schie­nen- und Was­ser­ver­kehr, Über­schwem­mun­gen, Ein­sturz oder Zusam­men­bruch von Gebäu­de oder ande­ren Auf­und Ein­bau­ten sowie Bedro­hungs­la­gen wie Bom­ben­dro­hun­gen, das Auf­fin­den nicht zuzu­ord­nen­der Gegen­stän­de und Wet­ter­la­gen. Im Risi­ko­ma­nage­ment wer­den an die­ser Stel­le risi­ko­mi­ni­mie­ren­de Maß­nah­men imple­men­tiert, wie z.B. eine Bestrei­fung durch Brand­si­cher­heits­wa­chen, das Vor­hal­ten einer aus­rei­chen­den Men­gen Lösch­mit­tel, die Kon­trol­le der Besu­cher­zah­len oder die Über­wa­chung des Wet­ter­ge­sche­hens. Im Not­fall­ma­nage­ment stellt sich jedoch die Fra­ge nach den Not­wen­dig­kei­ten für den Fall, dass die risi­ko­mi­ni­mie­ren­den Maß­nah­men nicht grei­fen.

Eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes Special Security Services trägt ein Megaphon und eine Karte mit Anweisungen. Sie hilft bei einer Räumungsübung. Zwei Personen, ein Mann und eine Frau, verlassen das Gebäude im Rahmen der Räumungsübung durch eine Flügeltür.

Eine Räu­mungs­übung auf der IBIT Fach­ta­gung 2017, Foto: Event­Part­ner

Alar­mie­rung
Um die rich­ti­gen Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung, Ein­gren­zung oder Bekämp­fung eines Not­falls zeit­schnell ein­zu­lei­ten, muss sicher­ge­stellt wer­den, dass die rele­van­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten, die zur Bewäl­ti­gung der spe­zi­fi­schen Situa­ti­on not­wen­dig sind, erfah­ren, dass ein Not­fall bzw. eine Abwei­chung vom Nor­mal­be­trieb ein­ge­tre­ten ist. Erst dann kön­nen sie aktiv wer­den. Auch hier zeigt sich wie­der die zeit­kri­ti­sche Kom­po­nen­te bei der Ent­ste­hung von Not­fäl­len. Wird bei der Alar­mie­rung durch man­geln­de Orga­ni­sa­ti­on bereits Zeit ver­lo­ren, kann dies zur Eska­la­ti­on eines mög­li­cher­wei­se unkri­ti­schen Stör­falls zu einem Not­fall füh­ren. Es muss also sicher­ge­stellt sein, dass eine Detek­ti­on – egal ob auto­ma­ti­siert, oder durch Beob­ach­tung und Mel­dung unver­züg­lich die rich­ti­ge Stel­le in der Orga­ni­sa­ti­on fin­det, die dann in der Lage ist, über die rich­ti­gen Maß­nah­men zu ent­schei­den und die­se in die Wege zu lei­ten.

Aus dem Räu­mungs­kon­zept muss dem­nach her­vor­ge­hen, wie ein Pro­blem ohne Zeit­ver­zug an die Ent­schei­dun­gen tref­fen­de Stel­le trans­por­tiert wird, wel­che Per­so­nen­grup­pen, also poten­ti­el­le Pro­blem­mel­der im Ver­an­stal­tungs­be­reich anwe­send sind und wie sicher­ge­stellt wird, dass allen infra­ge kom­men­den Akteu­ren bekannt ist, über wel­che Kanä­le eine Mel­dung an wen abzu­set­zen ist. Dies gilt für die Ver­an­stal­tungs­zeit genau­so wie für die Auf- & Abbau­pha­sen.

Eben­falls von Bedeu­tung ist, ob in den exter­nen Leit­stel­len von Feu­er­wehr und Poli­zei, in denen über die 110 und 112 Not­fäl­le im Umfeld der Ver­an­stal­tung gemel­det wer­den, bekannt ist, dass eine Ver­an­stal­tung statt­fin­det und wel­che Pro­ble­me in der Nach­bar­schaft eine Gefähr­dung für die Ver­an­stal­tungs­be­su­cher dar­stel­len kön­nen bzw. dass ent­spre­chend bekannt ist, wie die Ver­samm­lungs­stät­te zu errei­chen ist.

Han­deln­de Per­so­nen
Wie oben beschrie­ben führt die Alar­mie­rung zu Ent­schei­dun­gen über anzu­wen­den­de Maß­nah­men. Um jed­we­de Zeit­ver­zö­ge­rung zu ver­mei­den, ist es von vita­ler Bedeu­tung, die Zustän­dig­kei­ten für die Ent­schei­dun­gen früh­zei­tig vor der Ver­an­stal­tung fest­zu­le­gen. Kom­pe­tenz­ge­ran­gel oder gar Kom­pe­tenz­ver­wei­ge­rung kann im Ver­lauf eines Not­falls fata­le Fol­gen haben. Es muss also in allen Pha­sen einer Ver­an­stal­tung fest­ge­legt wer­den, wer über mög­li­che Maß­nah­men inner­halb der Ver­samm­lungs­stät­te ent­schei­det und die Alar­mie­rungs­we­ge müs­sen ent­spre­chend ein­ge­rich­tet sein – für den Ver­an­stal­tungs­be­trieb wie auch den Nicht-Ver­an­stal­tungs­be­trieb.

So könn­te bspw. der Geschäfts­füh­rer der Ver­samm­lungs­stät­te oder ein von ihm beauf­trag­ter Brand- oder Arbeits­schüt­zer die Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz im rei­nen Büro­be­trieb inne­ha­ben, wäh­rend im Ver­lauf der Auf- und Abbau­ar­bei­ten einer Ver­an­stal­tung der Ver­ant­wort­li­che für Ver­an­stal­tungs­tech­nik die­se zen­tra­le Funk­ti­on beklei­det. Der Ver­ant­wort­li­che für Ver­an­stal­tungs­tech­nik kennt die han­deln­den Akteu­re und Gefähr­dun­gen und kann im Sin­ne aller Betei­lig­ten über Not­fall­maß­nah­men ent­schei­den. Im Ver­an­stal­tungs­be­trieb wie­der­um ist es der Ver­an­stal­tungs­lei­ter, der die Ent­schei­dun­gen trifft. Es sind natür­lich auch ande­re Kon­stel­la­tio­nen denk­bar, in jedem Fall muss aber sicher­ge­stellt sein, dass eine ent­schei­dungs­be­fug­te Per­son anwe­send und allen Mel­de­we­gen bekannt ist, dass die­se Per­son weiß, wel­che Maß­nah­men zu tref­fen sind, wie sie aus­ge­löst, bzw. ein­ge­lei­tet wer­den und wel­che Auf­ga­ben nach der Aus­lö­sung zu erle­di­gen sind. In der „DIN EN 13200 Zuschau­er­an­la­gen – Teil 8 Sicher­heits­ma­nage­ment“ heißt es hier­zu:

„Die­se Per­so­nen, (Per­so­nen, die beson­de­re Auf­ga­be im Not­fall­plan erfül­len müs­sen, Anmer­kung des Autors) müs­sen die beson­de­ren Auf­ga­ben ken­nen, die sie aus­füh­ren müs­sen; sie müs­sen in der Lage sein, die­se Auf­ga­ben aus­zu­füh­ren und müs­sen wis­sen, wie sie sich bei unter­schied­li­chen Not­fäl­len zu ver­hal­ten haben, ein­schließ­lich Not­fall­si­tua­tio­nen, in denen Per­so­nen in Sicher­heit gebracht wer­den müs­sen (Zuschau­er, Dazu­ge­hö­ren­de, Sport­ler, Per­so­nen mit beson­de­ren Bedürf­nis­sen usw.)“.

Aus­lö­se­kri­tie­ri­en
Im Lau­fe einer Ver­an­stal­tung mit vie­len Besu­chern Not­fall­maß­nah­men durch­zu­füh­ren, bedeu­tet immer einen Ein­griff in die Ver­an­stal­tung – von ledig­lich stö­ren­den Momen­ten über Unter­bre­chun­gen oder einem ver­früh­ten Ende bis hin zu Maß­nah­men mit inhä­ren­ten Gefähr­dun­gen wie der Räu­mung von Per­so­nen. Daher müs­sen im Vor­feld Para­me­ter fest­ge­legt wer­den, die ein­zel­ne Schrit­te in einer Maß­nah­men­hier­ar­chie aus­lö­sen und bei der Abwä­gung der Kon­se­quen­zen von Maß­nah­men hel­fen. Muss bspw. der Betrieb eines Fest­zelt bei Wind­stär­ke 7 ein­ge­stellt wer­den, wäre ein Errei­chen der Wind­stär­ke 5 ggfs. ein Aus­lö­se­kri­te­ri­um für die Schlie­ßung der Außen­wän­de um das Ein­fah­ren von Wind­bö­en zu ver­hin­dern, die Infor­ma­ti­on der Bereichs­lei­ter sowie ggfs. des Publi­kums. Das Errei­chen der Wind­stär­ke 6 wäre in die­sem Bei­spiel das Aus­lö­se­kri­te­ri­um für das Ein­stel­len des Ver­kaufs von Geträn­ken und der Musik und der Auf­for­de­rung an das Publi­kum, das Zelt zu ver­las­sen. Spä­tes­tens das Errei­chen der Wind­stär­ke 7 wür­de dann eine akti­ve Räu­mung des Zel­tes aus­lö­sen.

Für das Räu­mungs­kon­zept bedeu­tet die Fest­le­gung von Aus­lö­se­kri­te­ri­en, Eska­la­ti­ons­stu­fen und Reak­ti­ons­zei­ten für ein­zel­nen Not­fall­sze­na­ri­en abzu­stim­men. Es müs­sen also u.a. die Fra­gen beant­wor­tet wer­den: Bis zu wel­chem Grad kann eine Situa­ti­on gemeis­tert wer­den, wel­che Para­me­ter sind aus­schlag­ge­bend, um vom Risi­ko­ma­nage­ment ins Not­fall­ma­nage­ment zu wech­seln. Wie groß darf bspw. ein Ent­ste­hungs­brand wer­den, bevor eine Räu­mung ein­ge­lei­tet wird, wel­che Per­so­nen­dich­ten sind wo in der Ver­an­stal­tung akzep­ta­bel oder wel­che Wet­ter­be­din­gun­gen füh­ren dazu, noch vor den Ein­gän­gen befind­li­che Per­so­nen nach innen in die Ver­samm­lungs­stät­te zu ver­brin­gen. Bei den Aus­lö­se­kri­te­ri­en gibt es lei­der kein „One Size Fits All“. Aus­lö­se­kri­te­ri­en sind von der Art des Not­falls, den indi­vi­du­el­len gebäu­de­spe­zi­fi­schen und / oder situa­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen, der dar­aus resul­tie­ren­den Bedro­hung für die Anwe­sen­den und von den ver­füg­ba­ren Res­sour­cen zur Ein­däm­mung oder Abwehr eines Not­falls abhän­gig.

Wie ein­gangs bereits erwähnt folgt das Not­fall­ma­nage­ment repro­du­zier­ba­ren Abläu­fen. Von der Ana­ly­se des Sys­tems, über die Fest­le­gung der han­deln­den Per­so­nen und der Bestim­mung von Aus­lö­se­kri­te­ri­en bis hin zur Ent­wick­lung von not­wen­di­gen, gefähr­dungs­spe­zi­fi­schen Not­fall­maß­nah­men wie einer Räu­mung.

Bevor also eine Räu­mung erfolg­reich funk­tio­nie­ren kann, müs­sen die vor­ge­nann­ten Schrit­te durch­dacht, doku­men­tiert, abge­stimmt und geschult sein. Sie sind damit bereits Bestand­teil des Räu­mungs­kon­zep­tes. Erst im nächs­ten Schritt wer­den dann die kon­kre­ten Maß­nah­men, die zur Abwick­lung eines spe­zi­fi­schen Not­falls, wie der Räu­mung der Ver­samm­lungs­stät­te oder des Ver­an­stal­tungs­ge­län­des, not­wen­dig sind, betrach­tet.

Kon­kre­te Maß­nah­men der Räu­mung
Räu­mun­gen kön­nen unter­schied­li­che Grün­de haben sowie sich in Art und Umfang unter­schei­den. Nicht immer muss die gesam­te Ver­samm­lungs­stät­te geräumt wer­den, noch ste­hen immer alle Flucht­rich­tun­gen unein­ge­schränkt zur Ver­fü­gung. Aus die­sem Grund soll­te jedes Räu­mungs­kon­zept die fol­gen­den Grund­räu­mungs­sze­na­ri­en beinhal­ten.

  • Gesamträu­mung: Es wird die Räu­mung der gesam­ten Ver­samm­lungs­stät­te ver­an­lasst. Das Kon­zept geht davon aus, dass alle Flucht­we­ge ver­füg­bar sind und eine gleich­mä­ßi­ge Ver­tei­lung der Besu­cher auf die vor­han­de­nen Flucht­we­ge mög­lich ist.
  • Teil­räu­mung: Es muss nur ein Teil der Ver­samm­lungs­stät­te geräumt wer­den. Das Kon­zept geht davon aus, dass alle Flucht­we­ge aus dem betrof­fe­nen Bereich ver­füg­bar sind und eine gleich­mä­ßi­ge Ver­tei­lung der Besu­cher auf die vor­han­de­nen Flucht­we­ge mög­lich ist. Die Teil­räu­mung soll­te kon­zep­tio­nell ein modu­la­rer Teil der Gesamträu­mung sein.
  • Gerich­te­te Räu­mung: Es muss die gesam­te oder nur ein Teil der Ver­samm­lungs­stät­te geräumt wer­den, aber es ste­hen NICHT alle Flucht­we­ge zur Ver­fü­gung. Man­che Flucht­rich­tun­gen müs­sen ggfs. ver­sperrt wer­den um zu ver­hin­dern, dass Besu­cher in gefähr­de­te Berei­che strö­men. Dem Besu­cher muss eine bestimm­te Rich­tung vor­ge­ge­ben wer­den – es ist also mit einer zumin­dest teil­wei­sen, ungleich­mä­ßi­gen Ver­tei­lung der Besu­cher auf die Flucht­we­ge und einem erhöh­ten Steue­rungs­be­darf zu rech­nen.

Für das schnel­le In-Sicher­heit-brin­gen von Besu­chern sind also in einem ers­ten Schritt die Alar­mie­rung wie beschrie­ben zu rea­li­sie­ren, die Aus­lö­se­kri­te­ri­en zu prü­fen und eine Ent­schei­dung über Art, Umfang und ggfs. die Rich­tung einer Räu­mung zu tref­fen.

Allgemeine Sicherheitshinweise, wie sie auf einer Taschenkarte zu finden sein können. Bild: IBIT GmbH

All­ge­mei­ne Sicher­heits­hin­wei­se, wie sie auf einer Taschen­kar­te zu fin­den sein kön­nen. Bild: IBIT GmbH

Spä­tes­tens jetzt tre­ten die Unter­schie­de zwi­schen orga­ni­sier­ten und beschul­ten Per­so­nen wie Mit­ar­bei­tern in einem Büro­kom­plex und orts­un­kun­di­gen Ver­an­stal­tungs­be­su­chern zu Tage. Wäh­rend geschul­te, orts- und ver­fah­rens­kun­di­ge Mit­ar­bei­ter über z.B. akus­ti­sche oder opti­sche Warn­si­gna­le, auto­ma­ti­sier­te Ansa­gen oder durch Zuruf leicht alar­miert und akti­viert wer­den kön­nen, ist die pro­zen­tua­le Durch­drin­gung ver­fah­rens­kun­di­ger Ver­an­stal­tungs­be­su­cher deut­lich gerin­ger und die Akti­vie­rung nach einem Alarm ent­spre­chend ver­lang­samt. Mit­ar­bei­ter sind in den meis­ten Fäl­len viel schnel­ler in der Lage, eine Alar­mie­rung als sol­che zu erken­nen und umge­hend rich­tig zu reagie­ren, ggfs. einen Sam­mel­platz anzu­steu­ern und ande­re auf dem Weg zu infor­mie­ren oder mit­zu­neh­men. So kann z.B. auch Mit­ar­bei­tern mit beson­de­ren Anfor­de­run­gen, sei­en es Anfor­de­run­gen durch ein­ge­schränk­te Mobi­li­tät oder ande­re sen­so­ri­sche Ein­schrän­kun­gen, leich­ter gehol­fen wer­den und der soge­nann­te „by-stan­der-effect“ also die Annah­me, jemand ande­res wer­de sich um eine hilfs­be­dürf­ti­ge Per­son küm­mern, redu­ziert wer­den. Im Ver­an­stal­tungs­kon­text sind die Reak­tio­nen auf eine Räu­mungs­auf­for­de­rung häu­fig weit von denen am Arbeits­platz ent­fernt. So wer­den regel­mä­ßig Über- und Unter­re­ak­tio­nen beob­ach­tet.

Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en zei­gen dabei jedoch, dass eine Über­re­ak­ti­on auf ein gefähr­li­ches Ereig­nis, wie z.B. indi­vi­du­el­le Panik­at­ta­cken deut­lich sel­te­ner vor­kom­men, als Unter­re­ak­tio­nen – also ein Nicht­re­agie­ren auf ein Ereig­nis. Die Grün­de für die Unter­re­ak­ti­on sind viel­fäl­tig: Es kann dar­an lie­gen, dass eine Gefähr­dung nicht offen­kun­dig erkenn­bar ist, die Infor­ma­ti­ons­quel­le als nicht ver­läss­lich inter­pre­tiert wird, man Sor­ge hat, sich im Fal­le einer Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on des Alarms lächer­lich zu machen oder ein­fach nur sei­nen guten Platz zu ver­lie­ren. Aber auch wenn ein Alarm als bestä­tigt erscheint, kann das War­ten auf ande­re, z.B. Freun­de oder Fami­lie zu ver­zö­ger­ten Reak­tio­nen füh­ren. Die­sen Umstän­den muss ein Räu­mungs­kon­zept Rech­nung tra­gen. Wie kann die Ent­schei­dung für eine Räu­mung so an das Publi­kum trans­por­tiert wer­den, dass die Infor­ma­ti­on als aus ver­läss­li­cher Quel­le kom­mend ernst­ge­nom­men und ohne Ver­zö­ge­rung umge­setzt wird? Und was kann die Orga­ni­sa­ti­on tun, um die Abläu­fe zu unter­stüt­zen und zu opti­mie­ren? Gera­de das Unter­stüt­zen der Abläu­fe ist jedoch mit teil­wei­se nicht uner­heb­li­chem Auf­wand ver­bun­den und führt regel­mä­ßig zu Dis­kus­sio­nen über die Not­wen­dig­keit len­ken­der und lei­ten­der Maß­nah­men. Schließ­lich müss­ten die Besu­cher „ja nur den Flucht­weg­schil­dern fol­gen“. Um dies ein­zu­ord­nen, muss man sich mit dem Prin­zip der Selbst­ret­tung beschäf­ti­gen. Die Deut­sche Lebens-Ret­tungs-Gesell­schaft (DLRG) defi­niert in „Selbstund Fremd­ret­tung: Erken­nen, Beur­tei­len, Han­deln“ (Okto­ber 2010, Ver­si­on 1.1)

„Selbst­ret­tung beinhal­tet den Selbst­schutz vor Gefah­ren­quel­len, die zu zeit­wei­sen oder andau­ern­den kör­per­li­chen oder geis­ti­gen Beein­träch­ti­gun­gen füh­ren kön­nen. Dazu gehört, die­se Gefah­ren­quel­len recht­zei­tig erken­nen zu kön­nen und zu ver­mei­den, sich ihnen aus­zu­set­zen. Es gilt, einem poten­zi­el­len Unfall­ge­sche­hen recht­zei­tig und wirk­sam zu begeg­nen“.

Dani­el Nobis (2016) defi­niert in „Die Mög­lich­keit der Selbst­ret­tung: Ver­bes­se­rung der Bar­rie­re­frei­heit durch die Ent­wick­lung eines Selbst­ret­tungs­lif­tes für mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Per­so­nen im Roll­stuhl“

„Die Selbst­ret­tung ist das Ver­mö­gen, sich selbst aus Gefah­ren­si­tua­tio­nen zu befrei­en. Vor­beu­gend gehört dazu auch das Wis­sen, wie man Gefah­ren­si­tua­tio­nen ver­hin­dert. Der Fach­be­griff Selbst­ret­tung bedeu­tet: Per­so­nen ret­ten sich aus eige­ner Kraft aus dem Gefah­ren­be­reich.”

Auch in wei­te­ren, sich in den Defi­ni­tio­nen leicht unter­schei­den­den Publi­ka­tio­nen zur Selbst­ret­tung, wer­den wie­der zwei wich­ti­gen Aspek­te der Selbst­ret­tung erkenn­bar.

  • aus eige­ner Kraft
  • Gefah­ren ver­hin­dern, ver­mei­den und ent­ge­gen­wir­ken

Die Auf­fas­sung, dass durch die Aus­wei­sung und Frei­hal­tung von Flucht­we­gen bereits alles für die Selbst­ret­tung von Per­so­nen getan sei führt in organ­sier­ten Ein­hei­ten mit Schulungs‑, Orts- und Ver­fah­rens­kennt­nis­sen zu posi­ti­ven Ergeb­nis­sen, muss aber in kom­ple­xen oder gro­ßen und mög­li­cher­wei­se unüber­sicht­li­chen Ver­an­stal­tungs­or­ten unter­stützt wer­den, sind die Orts- und Ver­fah­ren­sun­kun­dig­keit der dort befind­li­chen Per­so­nen der Selbst­ret­tung ent­ge­gen­ste­hen­de Fak­to­ren, die im Ver­an­stal­tungs­kon­text durch Len­kung und Lei­tung kom­pen­siert wer­den müs­sen. Feh­len­de stan­dar­di­sier­te Alar­mie­rungs­for­men für Ver­samm­lungs­stät­ten und durch­aus auch unter­schied­li­che Alar­mie­rungs­for­men im beruf­li­chen Umfeld füh­ren häu­fig zu den o.g. Unter­re­ak­tio­nen – die Per­so­nen han­deln nicht, weil die Alar­mie­rung für sie nicht „funk­tio­niert“, weil sie sich statt­des­sen lie­ber an der Umge­bung ori­en­tie­ren, die auf die Umge­bung war­tend nicht reagiert.

„Die Ori­en­tie­rung am Men­schen ver­drängt die Ori­en­tie­rung an Fak­ten“ (Pelz­mann, L & F Malik, F (2002) Tri­umph der Mas­sen­psy­cho­lo­gie). Die­sem ver­zö­gern­den Effekt muss durch Orga­ni­sa­ti­on, ver­läss­li­che Infor­ma­ti­ons­quel­len und letzt­end­lich auch ver­trau­ens­wür­di­gem Per­so­nal ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den. Eine erfolg­rei­che Räu­mung kann nur dann funk­tio­nie­ren, wenn nicht zu Beginn bereits wich­ti­ge Zeit ver­lo­ren wird. Ein wei­te­rer dem Ver­an­stal­tungs­um­feld impli­zi­ter Aspekt, der die Selbst­ret­tung aus Ver­samm­lungs­stät­ten behin­dert, ist die Orts­un­kun­de der Besu­cher.

Der Drang des Men­schen, sich an Bekann­tem zu ori­en­tie­ren, führt häu­fig zur Über­las­tung von Flucht­we­gen, die auch im Nor­mal­be­trieb als Ver­kehrs­we­ge gedient haben sowie zu einer Unter­last auf ande­ren nicht regel­mä­ßig genutz­ten Wegen. Wird der Besu­cher vor die Wahl gestellt, dem frei­en Weg oder dem­je­ni­gen Weg, den alle ande­ren gewählt haben, zu fol­gen, wird er sich ver­mut­lich dem Umfeld anschlie­ßen und eben­falls den über­las­te­ten Weg ein­schla­gen. Eine effek­ti­ve Selbst­ret­tung ist dem­nach nur mög­lich, wenn für eine gleich­mä­ßig Ver­tei­lung der Per­so­nen­strö­me auch auf nicht im Nor­mal­be­trieb genutz­te Aus­gän­ge gesorgt wird.

“Selbst­ret­tung bedeu­tet nur, sich aus eige­ner Kraft in Sicher­heit zu brin­gen.”

Zu kom­mu­ni­zie­ren, auf wel­chem Weg die­se Sicher­heit schnell erreicht wird, oder zu erfah­ren, wo sich die Gefähr­dung befin­det ist die Auf­ga­be der Sicher­heits­ak­teu­re. Die Erfül­lung die­ser durch­aus anspruchs­vol­len Auf­ga­be wird im Vor­feld durch Pla­nung, Kon­zep­tio­nie­rung und Schu­lung der han­deln­den Per­so­nen gewähr­leis­tet um sicher­zu­stel­len, dass wäh­rend der Räu­mung eine gleich­mä­ßi­ge Ver­tei­lung der Besu­cher durch Len­kung und Lei­tung auf die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Aus­gän­ge rea­li­siert wird. Aber auch mit der schnel­len, unmiss­ver­ständ­li­chen Alar­mie­rung und der gleich­mä­ßi­gen Ver­tei­lung der Besu­cher ist die Räu­mung noch nicht been­det.

Eine erfolg­rei­che Räu­mung benö­tigt die Auf­recht­erhal­tung der Per­so­nen­strö­me. So soll­te zum Einen das Ver­hal­ten an Eng­stel­len kom­mu­ni­ziert wer­den: Ein Reiß­ver­schluss­ver­fah­ren kann hel­fen, sol­che Berei­che zügig zu durch­que­ren, Rück­sicht­nah­me und das Ach­ten ande­re Besu­cher füh­ren eben­falls zu posi­ti­ven Ergeb­nis­sen.

Wei­ter­hin muss die Orga­ni­sa­ti­on der Räu­mung dafür sor­gen, dass Men­schen nicht im Per­so­nen­strom ste­hen blei­ben – z.B. um auf ande­re zu war­ten. Auch hier­zu müs­sen im Räu­mungs­kon­zept geeig­ne­te Hand­lun­gen defi­niert wer­den, z.B. erklä­ren­de Durch­sa­gen.

Schluss­end­lich muss sicher­ge­stellt sein, dass die Räu­mung weit genug aus der Ver­an­stal­tungs­flä­che hin­aus führt um sicher­zu­stel­len, dass auch die letz­ten Besu­cher noch einen aus­rei­chend gro­ßen Sicher­heits­ab­stand zum Aus­lö­ser der Räu­mung ein­neh­men kön­nen.

Alle vor­ge­nann­ten Aspek­te müs­sen ins­be­son­de­re für die Anwe­sen­heit beein­träch­tig­ter oder behin­der­ter Gäs­te über­prüft wer­den. In die­sem Zusam­men­hang sind beson­ders Fra­gen der Alar­mie­rung von Bedeu­tung. Häu­fig kön­nen durch die Behin­de­rung opti­sche oder akus­ti­sche Warn­si­gna­le nicht erkannt oder eigen­stän­dig dar­auf reagiert wer­den. Begleit­per­so­nen sind nicht immer direkt bei der betrof­fe­nen Per­son posi­tio­niert oder auch gar nicht anwe­send. Bar­rie­re­freie Aus­gän­ge sind nicht in jeder Ver­an­stal­tung ver­füg­bar oder die Wege dort­hin ver­lau­fen ent­ge­gen der gene­rel­len Flucht­rich­tung. Auch hier spielt die Orts­un­kun­de erneut eine wich­ti­ge Rol­le, da sie nicht nur Aus­wir­kun­gen auf die eige­ne Ret­tung hat, son­dern auch noch der Selbst­ret­tung ande­rer Per­so­nen ent­ge­gen­ste­hen könn­te.

Rück­füh­rung zum Nor­mal­be­trieb
Voll­stän­dig ist das Räu­mungs­kon­zept dann mit den Fest­le­gun­gen zur Rück­kehr in den Nor­mal­be­trieb. Auch hier sind Abläu­fe und Aus­lö­se­kri­te­ri­en zu bestim­men, die eine Räu­mung unter­bre­chen oder been­den und den Ver­an­stal­tungs­ort wie­der als „sicher“ defi­nie­ren. Regel­mä­ßi­ge Räu­mungs­übun­gen haben gezeigt, dass die Infor­ma­ti­ons­la­ge wäh­rend einer Räu­mung, auch wenn es sich nur um eine Übung han­del­te, durch Halbin­for­ma­tio­nen und Gerüch­te nie homo­gen ist und jeder Aus­lö­ser (ob nun auf einer Tat­sa­che basie­rend oder nicht) genutzt wird, die Räu­mung eigen­mäch­tig abzu­bre­chen oder zu ver­lang­sa­men. Sol­che Situa­tio­nen müs­sen im Ernst­fall unbe­dingt ver­hin­dert wer­den. Die Ent­schei­dung zur Auf­he­bung der Not­fall­maß­nah­men obliegt dem Ent­schei­der für die Not­fall­maß­nah­me und sie muss durch pro­to­kol­liert Prü­fun­gen ent­spre­chend beleg­bar sein. Es muss sicher­ge­stellt sein, dass die Bedro­hung garan­tiert bekämpft ist, dass alle Maß­nah­men der Gefah­ren­ab­wehr abge­schlos­sen und durch die Abwehr kei­ne neu­en Gefähr­dun­gen ent­stan­den sind. Dazu gehört auch, dass das Per­so­nal und Mate­ri­al für den Nor­mal­be­trieb ver­füg­bar und vor Ort ist. Es muss inbe­son­de­re fest­ge­legt wer­den, wel­che Kon­trol­len vor Wie­der­auf­nah­me des Betriebs durch­ge­führt wer­den müs­sen.

Zusam­men­fas­sung
Ein Flucht- und Ret­tungs­we­ge­plan ist kein Räu­mungs­kon­zept. Ein Kon­zept zur Räu­mung, also dem schnel­len In-Sicher­heit-brin­gen von Per­so­nen, beinhal­tet zahl­rei­che Aspek­te der Not­fall­or­ga­ni­sa­ti­on. Hier­bei muss es dar­um gehen, die Selbst­ret­tung der anwe­sen­den Per­so­nen inso­fern zu unter­stüt­zen, als dass es den Besu­chern von Ver­an­stal­tun­gen erlaubt, den schnells­ten Weg fort von einer Bedro­hung zu fin­den. Hier­zu muss der Besu­cher erfah­ren, wel­che Bedro­hung besteht, in wel­cher Rich­tung sich ein siche­rer Ort befin­det und auf wel­chem Weg er am schnells­ten, also ohne Staus und Ver­zö­ge­run­gen dort hin­ge­langt. Die Mus­ter­ver­samm­lungs­stät­ten­ver­ord­nung hebt dabei noch ein­mal die beson­de­re Ver­ant­wor­tung für Men­schen mit beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen her­vor, für die sepa­rat die Abläu­fe der Alar­mie­rung, die han­deln­den Per­so­nen und mög­li­chen Aus­lö­se­kri­te­ri­en über­prüft und ggfs. mit Mate­ri­al und Per­so­nal ange­passt wer­den müs­sen.

Zusam­men­ge­fasst müs­sen also fol­gen­de Schrit­te bei der Erstel­lung eines Räu­mungs­kon­zepts durch­lau­fen wer­den:

  • Ana­ly­se → Wel­che Fak­to­ren, veranstaltungs‑, ver­samm­lungs­stät­ten- oder nach­bar­schafts­spe­zi­fisch kön­nen zu einem schnel­len In-Sicher­heit-ver­brin­gen von Ver­an­stal­tungs­be­su­chern füh­ren. Sind Men­schen mit beson­de­ren Bedürf­nis­sen bei der Ver­an­stal­tung anwe­send, wo befin­den sich die­se und wel­che Form der Hil­fe muss dort gewähr­leis­tet wer­den.
  • Alar­mie­rung → Wie erfah­ren die han­deln­den Per­so­nen über einen Stör­fall mit Poten­ti­al zur Eska­la­ti­on, bzw. von einem bereits ein­ge­tre­te­nen Not­fall? Sind allen inter­nen und exter­nen Akteu­ren die Mel­de­we­ge bekannt und sind die­se auch erreich­bar?
  • Han­deln­de Per­so­nen → Sind allen Per­so­nen, die eine Funk­ti­on in der Abwick­lung von Not­fäl­len haben ihre Funk­tio­nen und die damit ver­bun­de­nen Auf­ga­ben bekannt? Sind sie anwe­send und in der Lage die Auf­ga­ben aus­zu­füh­ren? Wis­sen die Ent­schei­der, dass sie Ent­schei­dun­gen tref­fen dür­fen / müs­sen? Wis­sen die ein­zel­nen Akteu­re, was die ande­ren Akteu­re machen?
  • Aus­lö­se­kri­te­ri­en → Aus­lö­se­kri­te­ri­en hel­fen, Situa­tio­nen bes­ser ein­schät­zen zu kön­nen und bil­den Para­me­ter für die Ent­schei­dung, ob eine Situa­ti­on mit eige­nen Mit­teln unter Kon­trol­le gebracht wer­den kann oder ob eine Not­fall­maß­nah­me grei­fen muss.
  • Maß­nah­men → Die Maß­nah­men beschrei­ben alle not­wen­di­gen Hand­lun­gen, die im Zuge eines Not­falls, in die­sem Fall einer Räu­mung, abzu­wi­ckeln sind. Hier­zu gehö­ren unter ande­rem:» Durch­sa­gen / Alar­mie­rung der Besu­cher
    » Akti­vie­rung der Besu­cher
    » Beleuch­tung – wenn not­wen­dig – zuschal­ten
    » Öff­nen der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Not­aus­gän­ge sowie das Ver­schlos­sen­hal­ten nicht zu nut­zen­der Aus­gän­ge
    » Len­ken und Lei­ten der Besu­cher mit dem Ziel einer gleich­mä­ßi­gen Ver­tei­lung der Per­so­nen auf alle zur Ver­fü­gung ste­hen­den Wege
    » Assis­tenz für behin­der­te / ein­ge­schränk­te Besu­cher
    » Regel­mä­ßi­ge Hand­lungs­hil­fen wäh­rend der Räu­mung
    » Angreif­we­ge zur Not­fall­be­kämp­fung frei­hal­ten und Kol­li­sio­nen mit nach­rü­cken­den Ret­tungs­mit­teln ver­mei­den

Inva­ku­ie­rung und Shut­Down
Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sind noch zwei Son­der­for­men der In-Sicher­heit-Ver­brin­gung von Ver­an­stal­tungs­be­su­chern auf­zu­füh­ren. Die Inva­ku­ie­rung und der Shut down.

Bei einer Inva­ku­ie­rung wird, anders als bei der stan­dar­di­sier­ten Räu­mung, der öffent­li­che Bereich als Quel­le der Bedro­hung und der Ver­an­stal­tungs­ort als der siche­re Bereich inter­pre­tiert. Es sind also die Per­so­nen anzu­spre­chen und zu bewe­gen, die noch nicht in der Ver­an­stal­tung anwe­send, aber durch Gefah­ren­quel­len wie Wet­ter, Angrei­fer oder einen nicht zuzu­ord­nen­den Gegen­stand bedroht sind. In die­sen Situa­tio­nen ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Betrof­fe­nen erschwert und eine Koor­di­na­ti­on mit den bereits anwe­sen­den Per­so­nen ist not­wen­dig. Wo sol­len die Per­so­nen von außen ent­lang geführt wer­den, wie kann die­ser geplan­te Weg kom­mu­ni­ziert wer­den? Wie kön­nen die bereits in der Ver­an­stal­tung anwe­sen­den Per­so­nen die Maß­nah­me nicht behin­dern oder gar unter­stüt­zen? Wie kann man die Per­so­nen so anord­nen, dass sie zu einem spä­te­ren Zeit­punkt gesam­melt wie­der nach drau­ßen gebracht oder inner­halb der Ver­samm­lungs­stät­te kon­trol­liert wer­den kön­nen?

Ähn­li­che Fra­gen stel­len sich auch zu einem Shut-Down des Ver­an­stal­tungs­or­tes, also dem zeit­wei­se gesam­ten oder ört­lich beschränk­tem Ver­schlie­ßen der Ein- und/ oder Aus­gän­ge. Häu­fig wird der Shut-Down als Not­fall­maß­nah­men für bewaff­ne­te Angrif­fe von außen oder für bestimm­te Bereich inner­halb einer Ver­an­stal­tungs­stät­te vor­ge­se­hen.


Quel­len:

[1] [Online unter www.basigo.de/handbuch/Sicherheitsbausteine/Notfallplanung/szenarienunabh%C3%A4ngige_Ma%C3%9Fnahmenplanung/Evakuierung, abge­ru­fen 01.08.2018],]. [2] [VB – Vor­beu­gen­der Brand­schutz 17(1998)1, S. 41–43] [3] [www.rimeaweb.files.wordpress.com/2016/06/rimea_richtlinie_3‑0–0_-_d‑e.pdf – Sei­te 9] [4] [online: www.wortbedeutung.info, abge­ru­fen 01.08.2018], bzw. als „ein fixier­ter Plan“ [5] (Schmid­bau­er (2006) Quel­le: www.konzeptionerblog.de/2006/07/konzept_oder_ko/, abge­ru­fen 01.08.2018]