Fachtagung

6. IBIT
Fachtagung
Veranstaltungssicherheit

Olympiastadion Berlin

12.11.2019 - 13.11.2019

Rückblick

Nach jeweils zwei Jahren in Bonn und Köln sowie einer Fachtagung in Hamburg haben wir uns in 2019 für eine Austragung der Fachtagung in Berlin entschieden. Grund dafür war nicht nur, dass das historische Olympiastadion einen beeindruckenden Rahmen für unsere 6. Fachtagung mit 350 Teilnehmern aus sieben Ländern geboten hat und Berlin insgesamt aus allen Richtungen und mit allen Verkehrsmitteln gut zu erreichen ist – Grund waren vor allem auch die Partner auf der Berliner Seite, die ganz klar gesagt haben: „wir wollen euch hier“ – Danke noch mal für das Vertrauen an die OLYMPIASTADION BERLIN GMBH. Der neue Austragungsort änderte aber nichts am bewährten Prinzip: wie immer wurden in insgesamt sechs Themenschwerpunkten aktuelle und bewährte Inhalte aus Praxis, Wissenschaft und Recht präsentiert – ergänzt durch  ein umfassendes Rahmenprogramm und die traditionelle Konferenzparty.

Themenschwerpunkt 1: Praxislösungen
Den Anfang machte Gerard van Duykeren (TSC Crowd Management, Showsec) mit einem Vortrag über Event Profiling und die Art, wie er seine Kräfte auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet. 

Mit dem Hinweis auf das „joined social trauma“ beschrieb er die Auswirkungen der Anschläge der vergangenen Zeit – besonders eindrucksvoll dabei die Schilderungen zu den „Manchester Arena bombings“, bei denen sein Personal zu den „first respondern“ gehörte. Er plädierte für eine Änderung des Mindsets in Richtung einer „pro-active security awareness attitude“ und bestätigte dies mit dem beeindruckenden und gleichermaßen unterhaltsamen Awareness Test „21 Changes“. Nicht gespart hat van Duykeren in seiner Präsentation an Meinungen zu selbsternannten Experten zum Thema: „hollow phrases“, „preoccupation with own interests“, „double-faced cheap criticism“, „self proclaimed specialists“, „piggybacking on hype“ waren nur einige der Umschreibungen, mit denen er seine Meinung mehr als deutlich machte. In der Implementierung in ein Schulungskonzept unterschied er zwischen „basic awareness“ und einem speziellen Training „event (predictive) profiling“. Neben der Vermittlung von Wissen spielen hier vor allem die sogenannten „red teams“ eine wichtige Rolle, deren Aufgabe es ist, das Personal immer wieder herauszufordern und Lücken im System aber auch in der Ausbildung und / oder Vorbereitung aufzuzeigen. Im Anschluss erläuterte Bernd Belka (Special Security Services) am Beispiel des Neuapostolischen Kirchentages in Düsseldorf, wie sich große Personenmengen steuern lassen, auch wenn sie von ihrem präferierten Ziel (vermeintlich) weggeleitet werden müssen. Setzt man sich damit auseinander, wie die Zielgruppe „funktioniert“, wie sie ansprechbar ist, was sie motiviert, lassen sich eigentlich immer Wege finden, auch „unbequemes“ Handeln umzusetzen: so hat das System der „Grünen Route“ (einem wirklich sehr langem Umweg zu einem eigentlich naheliegenden Ziel) inzwischen Eingang in die sozialen Medien gefunden und zeigt eindrucksvoll auf, dass man Menschen durchaus dazu bringen kann, lange Umwege zu gehen, wenn man es nur mit einem Sinn und / oder Spaß verbindet. Das Thema „Awareness“ in Verbindung mit sexuellen Übergriffen bei Veranstaltungen, das im nachfolgenden Vortrag von Jan Benz (Benz & Beckert) und Vanessa Wiktor (Kopf & Steine GmbH) vorgestellt wurde, findet sich mit einem großen Schwerpunktartikel ab Seite 32 in diesem Heft. Sowohl das Feedback und die sich an den Vortrag anschließenden Diskussionen als auch die Menge an aufgezeigten Herausforderungen und Lösungsansätzen zeigte, wie wichtig das Thema auch im Kontext der Sicherheitsplanung für Veranstaltungen ist. Formal vom „best practice“ Teil getrennt schloss der Vortragsstrang ab mit einer Vorstellung einer „industry best practice“ Lösung, in der Oliver Maitre (guest one) sein Konzept zum Personalmanagement auf dem Parookaville vorstellte.

Themenschwerpunkt 2: Dienstleistung und Infrastruktur
In drei Vorträgen und einem Diskussionspanel wurde ein weiter Bogen von Anforderungen an Blitzschutz oder Sanitätsdienste über die Bedeutung von Zuschauertribünen für die Sicherheit bis hin zu Problemen aufgrund des Arbeitskräftemangels gespannt.

Den Anfang machte Andreas Litger (VABEG Eventsafety) mit einem höchst spannenden Vortrag unter dem Titel „Blitzgefahren und Blitzschutz bei Veranstaltungen im Freien und in Zelten“. Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema „Blitze“ wies der Co-Autor des Taschenlexikons Event safety darauf hin, dass sowohl für fliegende Bauten als auch für Veranstaltungen im Freien keinerlei gesetzliche oder normative Regelungen hinsichtlich des Blitzschutzes bestehen. Aus diesem Grund wurde in Zusammenarbeit mit dem VDE ein Merkblatt „Blitzschutz bei Veranstaltungen und Versammlungen“ erstellt. Unter Zuhilfenahme dieses Merkblatts lässt sich die Gefährdung bewerten, um daraus Schutzmaßnahmen umzusetzen. Mit einem anschaulichen graphischen Blitzschutzplan können die Bereiche, die gefährdet bzw. geschützt sind, visualisiert werden. Litger empfahl, den finalen Blitzgefahrenplan mit Schutzmaßnahmen für Besucher gut sichtbar (z.B. an Eingängen) auszuhängen, so dass sie sich informieren und besser vorbereiten können.Nach der Mittagspause erläuterte Boris Michalowski (Arbeiter-Samariter-Bund  Berlin-Nordwest e.V.) die Herausforderungen und Chancen der Integration des Sanitätsdienstes in die Sicherheitsarchitektur erfolgreicher Veranstaltungen. Er ging dabei zunächst auf die hohen Anforderungen an die Sanitätskräfte ein. Wie in (fast) jedem ehrenamtlichen Bereich wird auch hier der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel immer spürbarer. Der Einsatzleiter für Großdienste wies darauf hin, dass man zukünftig für rettungsdienstlich ausgebildete Kräfte Honorare zahlen müsse. Zusammen mit gestiegenen Vorhaltekosten für Medikamente und einer neuen Einsatzausstattung wird ies zu höheren Kosten für Veranstalter führen. Am Beispiel der Leichtathletik-EM 2018 im Berliner Olympiastadion zeigte er in beeindruckender Art die Anforderungen auf, die an den Sanitätsdienst bei einer einwöchigen Veranstaltung im Hochsommer mit Temperaturen von bis zu 39° Celsius und einem Unwetter gestellt werden. Es wurde deutlich, welchen Beitrag ein funktionierender Sanitätsdienst für die Sicherheit einer Veranstaltung leistet. Eine Frage, die sich der ein oder andere Zuhörer vor dem dritten Vortrag „Sicherheit zwischen Emotion und Ökonomie – DIN EN 13200“ gestellt haben mag: „Was haben Sichtlinien in Zuschaueranlagen mit der Sicherheit einer Veranstaltung zu tun?“. Dr. Stefan Nixdorf (agn Niederberghaus & Partner GmbH) zeigte in einem lebhaften und spannenden Vortrag den Zusammenhang anhand eines anschaulichen Beispiels auf. Nach noch 2017 geltenden Normen durften beispielsweise in Eishockeystadien nicht einsehbare Bereiche von bis zu fünf Metern hinter der Bande bestehen. Problem: das Tor ist nur vier Meter von der Bande entfernt. Zuschauer können also unter Umständen genau das nicht sehen, weswegen sie zu der Veranstaltung gekommen sind. Dass das bei einer emotionalen Sportart zu Sicherheitsproblemen führen kann, erklärt sich dann fast von selbst. Aufgrund von Forschungsarbeiten zu Sichtlinien durch Dr. Nixdorf wurden die DIN EN 13200-1 Kriterien für die räumliche Anordnung von Zuschauerplätzen entsprechend angepasst, und damit ein wesentlicher Beitrag zu mehr Sicherheit in Veranstaltungsstätten geleistet. Den Abschluss des Themenstrangs bildete eine Diskussion zum Thema „Ohne Personal keine Dienstleistung – von Qualifizierungsanforderungen und Personalproblemen“. Ferdinand Erben (Munich Security Services GmbH), Celine Kühnel (EPS GmbH), Pascal Duggleby (Interessengemeinschaft der Personaldienstleister in der Veranstaltungswirtschaft) und Falco Zanini (Falco Zanini Event Safety) stellten die Herausforderungen in einem Markt dar, der zunehmend unter einem Arbeitskräftemangel leidet. In einer lebhaften Diskussion wurden viele Argumente und Ideen gesammelt, wie man trotz der Rahmenbedingungen adäquates Personal finden kann, um erfolgreiche und sichere Veranstaltungen durchführen zu können. Einig waren sich alle Beteiligten, dass es hierzu notwendig ist, aufeinander zuzugehen und neue Lösungen zu ent- wickeln.

Themenschwerpunkt 3: Rechtliche Fragestellungen
Dieser Themenstrang erfreut sich jedes Jahr großer Beliebtheit und ist fester Bestandteil unserer Tagungen. Die Kombination aus theoretischen Exkursen und praktischen Beispielen brachte die Teilnehmer auf den aktuellen Stand der rechtlichen Entwicklungen in der Veranstaltungsbranche.

Eröffnet wurde der Themenstrang „Rechtliche Fragestellungen“ mit dem Vortrag „Was hat sich getan“ durch Rechtsanwalt Volker Löhr ((kanzleiLoehr). Hier beschäftigte er sich sowohl mit der Frage, wer denn bei einer Veranstaltung eigentlich die „Terrorabwehr“ bezahlen müsse, als auch mit dem grundsätzlichen Konzept der Veranstaltungsleitung, dessen Versuch der neuerlichen rechtlichen Einordnung er erläuterte. Ein- geleitet durch eine Mitmachaktion, in der die Teilnehmer auf vermeintlich einfache Juristische Fragen mit „ja“ oder „nein“ Antworten sollten, wurde schnell klar: so einfach ist das Thema „Recht“ nicht. Und schnell wurde auch deutlich: die Zeit für den Vortrag reichte eigentlich nicht aus. Neben Themen wie der Verkehrssicherungspflicht am Beispiel des Weihnachtsmarkturteils von Berlin wurde besonders das Thema Veranstaltungsleitung besprochen und die Verantwortlichkeiten zwischen Betreiber und der Veranstaltungsleitung definiert. Die Verantwortung des Betreibers „für die Sicherheit der Veranstaltung und für die Einhaltung der Vorschriften zu sorgen“ ist keinesfalls gleichzusetzen mit der Verantwortung, die die Veranstaltungsleitung während der Durchführungsphase einer Veranstaltung übernimmt. Auch räumte Volker Löhr mit den Begrifflichkeiten zwischen  Veranstaltungsordnungsdienst und Veranstaltungssicherheitsdienst auf. Unter dem Titel „Der Zweck heiligt die Mittel“ befasste sich RA Martin Reitmaier (Reitmaier Rechtsanwälte) mit dem Sorgenkind DSGVO, an dem in der Vergangenheit kein Veranstalter mehr vorbeikam. Veranstaltungen seien „weiche Ziele“ für potentielle Attentäter – leicht zu erreichen mit großem Schadensausmaß bei einem erfolgreichen Anschlag – und durch die hohe Anzahl von Mitwirkenden gefährdet. Die Weitergabe von personenbezogenen Daten ist nach Einführung der DSGVO aber nur noch bei konkreter Gefahrenlage oder vorher vorliegendem Bescheid für die Behörden durchzusetzen. Dies ist selbst mit Erhebung und freiwilligem Einverständnis zur Weitergabe nur mit großem Aufwand möglich. Die Handlungsempfehlung: Daten erheben, aber erst bei konkreter Gefahr zugänglich machen. Neben Vorteilen wie der Bekämpfung von Schwarzarbeit und der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes liegt so auch im konkreten Verdachtsfall die nötige Information, z.B., ob der gesuchte Mitarbeiter überhaupt eingecheckt ist, vor. Langfristiges Ziel sollte sein, sich ein Beispiel an anderen Branchen zu nehmen. Denn „in der Industrie ist es schon seit Jahren undenkbar, dass „namenlose Fremde“ Zutritt zu einem Betriebsgelände erhalten“. Verkehrssicherungspflichten – für die einen Totschlagargument, für die anderen ein echtes Rätsel. Aber was sie auch immer sind: sie sind wichtig und existent. Das machte Rechtanwalt Thomas Waetke (Schutt, Waetke Rechtsanwälte) klar und versuchte Grenzen zu ziehen. Auch hier wurde schnell deutlich, dass wichtige Dinge nicht immer einfach sind, denkt man zum Beispiel an Besonderheiten bei der Verkehrssicherung u.a. gegenüber Kindern, betrunkenen Besuchern oder Unbefugten. Das Notwendige und Zumutbare tun, um den Besucher zu schützen ist das Ziel. Doch je extremer die Auswirkung, je weniger das Risiko erkennbar und beherrschbar ist, desto mehr muss getan werden. Auch über die Möglichkeit der Delegation sprach Waetke, und betonte die Notwendigkeit, mit konkreten Bezeichnungen zu arbeiten und dass die Arbeit durch den Verantwortlichen auf Umsetzung zu kontrollieren ist. Auch mit dem Mythos „der Teilnehmer nimmt auf eigenes Risiko teil“ wurde aufgeräumt, denn wenn der Teilnehmer das Risiko weder kennt, noch selber beherrschen kann, ist die Klausel unwirksam. Die pure Kenntnis über Risiken im Allgemeinen reicht juristisch nicht aus… Abgerundet wurde der Tag durch die inzwischen obligatorische Fragesession „Frag den Anwalt!“, die wie immer unter der bei Juristen beliebten Prämisse „es kommt darauf an!“ lief. Daniel Schlatter (Schlatter – Zahl – Kuhnt Rechtsanwälte) und Volker Löhr stellten sich auf dem Podium den Fragen des Plenums und knüpften an die Diskussionen der vorherigen Sessions an. Es gab viele Fragen und auch Antworten – RICHTIG und FALSCH blieben allerdings oft auch hier eine Illusion der Beteiligten.

Themenschwerpunkt 4: Der Mensch in der Menge
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, für wen wir eigentlich planen, wenn wir von Besuchersicherheit oder Crowd Management sprechen, kommen wir schnell an die technischen Grenzen von Annahmen und Simulationen oder Risikobeurteilungen. Je besser also unsere Planung oder Simulation auf das Verhalten und die psychologischen Aspekte eingeht, desto näher kommen wir vielleicht diesem „Menschen in der Menge“. 

Die drei Vortragenden im Themenschwerpunkt „Der Mensch in der Menge“ verfolgten genau diesen Ansatz und konnten spannende Wege und innovative Ideen basierend auf ihren Erfahrungen darstellen. Die gut besuchten Vorträge wurden dann auch von angeregten Diskussionen begleitet, wie sich die vorgestellten Ansätze in der Praxis anwenden und ggf. skalieren lassen. Den Anfang machte Dr. Angelika Kneidl (accu:rate GmbH) mit dem Vortrag „Warum die Dichte kein geeignetes Kriterium zur Bewertung einer Situation bei Simulationen ist“. Moderne Simulationen von Personenströmen bemühen oft die Dichte als ausschlaggebendes Kriterium. Geht man aber weiter und schaut sich an, in welchem Kontext diese auftritt, kann es durchaus sein, dass Gäste auch Dichte wünschen (Beispiel Festival). Sie konnte aufzeigen, dass ein besseres Kriterium die Stauung von Personenflüssen sein kann. Wie lange befinde ich mich also in der „Dichte“, bin ich dort gewollt oder ungewollt (Beispiel Treppenhaus – Entfluchtung)? Somit lassen sich im Rahmen von Simulationen die Parameter besser bestimmen und die Fragestellung nach Risiko und Gefahr genauer beantworten. Damit kann man angemessener auf die kontextabhängige Planung eingehen, als wenn vergleichsweise immer nur die Dichte herangezogen wird. Eric Kant (Phase01) hatte für seinen Vortrag den Blickwinkel der „Effective Communication“ gewählt. Wie erreiche ich meinen Besucher, damit er sich auch wie geplant verhält? Am Beispiel der Räumung konnte er aufzeigen, wie oft die sogenannte „Pre-Evacuation Time“ unterschätzt bzw. nicht berücksichtigt wird. Besucher brauchen Zeit, bis sie verstehen, was von ihnen erwartet wird bzw. bis sie verstehen wollen, was erreicht werden soll. Daher ist es wichtig, auf möglichst vielen Kanälen (Durchsagen, Anzeigen, persönliche Ansprache) klare Botschaften zu senden, um die Zeit, die benötigt wird, die Menge in Bewegung zu bekommen, so gering wie möglich zu halten. Eric Kant zeigte in seinem Vortrag auch Strukturen für den Inhalt der Kommunikation auf. So ist es mittlerweile als Stand der Technik anzusehen, den Besuchern klar mitzuteilen, worin die Gefährdung besteht. Moderne Kommunikation sieht also den Besucher als mündigen Teilnehmer an, der seine Entscheidung auf Basis aller Faktoren treffen wird. Zum Schluss konnte Andrew Tatrai (University of Technology, Sydney) mit seinem Vortrag „Human Behaviour Analysis interessante Impulse liefern, wie modernes Crowd Management auf Basis von künstlichen neuronalen Netzen die „Stimmung“ der Besucher auswerten kann. Dazu werden in einer lernfähigen Softwareumgebung die Daten aus Kameraüberwachungsanlagen im Sekundentakt live ausgewertet und sogenannte Facial Patterns erkannt. Die Software kann also unterscheiden, ob Menschen gut, neutral oder schlecht gelaunt sind. Davon abhängig kann eine Auswertung nach vordefinierten Bereichen erfolgen, um Veränderungen in der Stimmung von Menschengruppen wahrzunehmen und darauf basierend Rückschlüsse auf die Dichte und Personenströme zu ziehen. Vereinfacht gesagt lassen sich so Bereiche identifizieren, in denen aufgrund der Stimmung Handlungsbedarf besteht (Bsp. Öffnen von zusätzlichen Einlässen oder Absperren von Zugangskontrollen für Bereiche, die überfüllt sind). Insgesamt lässt sich auch aus den anschließenden Diskussionen und Fachgesprächen ableiten, dass die Entwicklung zum Thema Besuchersicherheit immer häufiger auch psychologische Faktoren und das Verhalten der Zielgruppe in den Vordergrund stellt stellt und so aus den Pünktchen tatsächliche Individuen macht.

Themenschwerpunkt 5: Aus dem Elfenbeinturm in die Praxis – Sicherheitsforschung
„Aus dem Elfenbeinturm in die Praxis – Sicherheitsforschung“- dieser Themenstrang ist aus unserem Tagungsprogramm nicht mehr wegzudenken, wird hier doch die Lücke zwischen Theorie und Praxis, Forschern und Endanwendern geschlossen. 

Den Anfang machten die drei Wissenschaftlerinnen Dr. Juliane Adrian (Forschungszentrum Jülich), Olga Sablik (Bergische Universität Wuppertal) und Ann Katrin Seemann (Forschungszentrum Jülich) mit dem Vortrag „CroMa-Projekt: von Fußgängerexperimenten und Feldstudien“. Die Eckparameter des Projektes sind, mit Hilfe der Verbesserung von baulichen Regelungen, einem angepassten Crowd Management und durch organisationsübergreifende Handlungsanweisungen, eine höhere Widerstandsfähigkeit und Leistungsfähigkeit sowie die Gewährleistung der Besuchersicherheit in Verkehrsinfrastrukturen bei erhöhtem Besucheraufkommen zu schaffen. Hierzu ist es wichtig, die Hauptgründe für Unfälle in Menschenmengen zu untersuchen und damit verbunden die maßnahmengestützte Verbesserung der Performance, der allgemeinen Besuchersicherheit und des subjektiven Wohlbefindens zu schaffen. Erst durch das Gedränge in Menschenmengen werden Stausituationen gefährlich. Hier wurde untersucht, wie man durch Design der Zugangssituation das Gedränge möglichst vermeiden kann. Anhand von durchgeführten Feldstudien wurde versucht herauszufinden, ab wann ein Gedränge entsteht und was die Motivation dahinter ist. Aufgezeigt wurde zum Beispiel, dass sich Probanden in geordneten Zugangsstrukturen deutlich wohler fühlen. Zur Forschung wurde verschiedene Sensorik eingesetzt, um z.B. die Laufwegbestimmung mit Hilfe von Code-Markern zu bestimmen oder auch die Körperbewegungen und die emotionale Belastung zu messen. Da es nicht immer möglich ist, Menschen zu verkabeln, wird auch mit Feldstudien gearbeitet. Beispielhaft wurde der Konzerteinlass in einer mittelgroßen deutschen Indoor-Veranstaltungshalle bewertet. Wichtig bei diesem Projekt ist die Kombination von innovativen, technisch gestützten Forschungsmethoden mit den Ergebnissen aus praxisbezogenen Feldstudien. Den Vortrag haben wir in gekürzter Fassung auf den Seiten 14-24 mit freundlicher Genehmigung von Dr. Juliane Adrian, Olga Sablik und Ann Katrin Seemann veröffentlicht. Der zweite Vortag von Dr. Laura Künzer (Team HF) und Sascha Voth (Fraunhofer IOSB) mit dem Titel „Ich schau halt hin… Wie können Menschenmengen systematisch beobachtet, bewertet und Dichten vorhergesagt werden?“ befasste sich ebenfalls mit der Sicherheit im öffentlichen Raum. S²ucre ist ein deutsch-französisches Forschungsprojekt und betrachtet nicht nur die wissenschaftliche Komponente, sondern bezieht auch die Sicht der Human Factors-Psychologie mit ein. Ziel ist es, die Forschung in die Praxis zu bringen und die Erkenntnisse zu teilen. Das systemische Bewerten unter Einbezug der Technik und das Beobachten stehen in einem engen Verhältnis bei der Gewinnung und Evaluierung der Forschungsergebnisse. Es ist wichtig, Warnungen so zu gestalten, dass sie von den Besuchern auch ernst genommen werden. Grundlage dafür ist das Wissen um die verschiedenen Verfahren. Hier stellt sich die Frage „was genau bedeutet Hinschauen“? Es soll auf der einen Seite die Anomalie der Situation aufgedeckt werden, andererseits sollen möglichst aber auch Bewertungskriterien zur besseren Beobachtung gefunden werden. Alles mit dem Ziel, Menschenmengen besser beschreiben zu können. Dabei spielen die Perspektive und der Zeitfaktor eine Rolle. Die Definition der Komponenten setzt auch immer Wissen voraus, das nicht nur im Rahmen der Feldforschung eine Rolle spielt, sondern auch künstlicher Intelligenz z.B. in Bezug auf Auswertungskriterien beigebracht werden muss.

Der letzte Vortrag des Tages von Roland G. Meier (VDS GmbH) „Drohnenforschungwas nützt uns das in der Veranstaltungssicherheit?“ widmete sich gleich vier Sicherheitsforschungsprojekten im Bereich der Drohnen. Ausführlich betrachtet wurde das Projekt „ArGUS-Assistenzsystem zur situationsbewussten Abwehr von Gefahren durch UAS“. Nach einer kurzen Einführung in die aktuellen rechtlichen Grundlagen zum Betrieb von Drohnen gemäß der Drohnenverordnung wurde am konkreten Forschungsprojekt „ArGus“ deutlich, wie groß die Lücke zwischen der aktuellen Drohnenforschung bzw.-regulierung und der Entwicklung der Drohnen ist. Die Entwicklung hat einen immensen Vorsprung. Es fehlt an rechtlichen Grundlagen und es gibt erheblichen Regulierungsbedarf im Bereich

der Kontrolle. Es müssen Institutionen und Mechanismen zur Sanktion geschaffen werden. Die Erforschung der Grundlagen ist auf einem guten Weg, es gibt Systeme zur Detektion. UAS sind nicht mehr teure Spezialgeräte, die sich keiner leisten kann. Sie werden mittlerweile von vielen Privatpersonen genutzt und stellen somit auch ein neues Bedrohungsfeld für unsere Veranstaltung dar. Ziel muss es sein, durch den Einsatz des Assistenzsystems das AUS frühzeitig erkennen und analysieren zu können. Auf Basis dieser Erkenntnis sollen Bedrohungslagen frühzeitig erkannt und bestenfalls gesetzeskonforme Gegenmaßnahmen empfohlen werden. Geprüft wird aktuell auch die frühzeitige Übernahme des Fluggerätes. Aber auch die Assistenzsysteme sind nur dann hilfreich, wenn sie richtig angewandt werden. Die Menschen müssen für das Thema sensibilisiert werden, denn viele der Unfälle basieren auf Unwissenheit im Umgang mit den Fluggeräten. So ist auch für die Veranstaltungssicherheit die Implementierung drohnenbasierter Szenarien ein notwendiger Schritt. Hierfür bedarf es der Vorsorge und Vorplanung und nicht zuletzt der ständigen Sensibilisierung.

Themenschwerpunkt 6: Grundlagen der Veranstaltungssicherheit
Erstaunlicherweise finden sich auch im „Grundlagen“- Themenstrang auf Seiten der Teilnehmer* innen regelmäßig eher weniger Anfänger*innen – umso spannender sind dann die Diskussionen, die sich aus den „vermeintlich einfachen“ Themen ergeben. 

Der Themenstrang begann mit der Vorstellung der Arbeitsgruppe „Sicherheitskonzepte“ des Vereins für die Sicherheit von Großveranstaltungen (VFSG e.V.), die ihre bisherigen Ergebnisse vorstellte und mit den Teilnehmer*innen diskutierte. Präsentiert wurden vor allem auch die Inhalte der Diskussionen innerhalb der Gruppe selbst und es war spannend zu sehen, wieviel Rede- und Klärungsbedarf es immer noch bei einem Thema gab, von dem man eigentlich dachte, dass es doch „mal geklärt sein müsse“. Die Diskussion führte von den notwendigen Inhalten (und auch der Frage, was nicht Thema des Sicherheitskonzeptes ist) zu den Fragen nach der Erteilung des Einvernehmens, das immer noch höchst unterschiedlich gehandhabt wird. Danach ging es nahezu nahtlos über in die „Sie fragen, wir versuchen zu antworten“ Session, in der sich die IBIT Referenten Bernd Belka, Ralf Zimme und Sabine Funk den Fragen der Teilnehmer*innen stellten. Vom eben schon angesprochenen Einvernehmen über Auswahlprozedere von Dienstleistern und der Frage nach der Trennung von Sicherheits- und Ordnungsdienst wurde „kreuz und quer“ diskutiert und nach anfänglichem Schweigen und Zögern war am Ende natürlich wieder die Zeit zu kurz, alle Fragen zu beantworten. Den Abschluss des Themenstranges bildete Ralf Zimme mit seinem Vortrag über Räumungskonzepte, in dem er das systematische Vorgehen im Hinblick auf die Planung reproduzierbarer Prozesse beschrieb und betonte, wie wichtig es sei, verantwortliche Personen zu benennen oder Auslösekriterien festzulegen. Desweitern betonte er die Notwendigkeit einer intensiven zugrundeliegenden Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung nicht nur der veranstaltungsinternen, sondern auch der angegliederten nachbarschaftlichen Gefahrenquellen.

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